Michel De Roche

5 Fragen an Michel De Roche

«Einem Grossteil der Stockwerkeigentümerschaft fehlt das Wissen über die Lebensdauer ihrer Liegenschaft»

Michel de Roche ist Advokat mit eigener Kanzlei in Basel und war Präsident der Fachkammer Stockwerkeigentum SVIT.

1. Haben Stockwerkeigentümer immer Verständnis für und genügend Wissen über das Lebenszyklus-Management der Liegenschaft?
DEN Stockwerkeigentümer gibt es nicht. Einem Grossteil der StockwerkeigentümerInnen fehlt jedoch das Wissen über die Lebensdauer ihrer Liegenschaft und deren Bestandteilen. Sie sind oft auf ihre eigenen vier Wände fokussiert und kümmern sich nicht um die gemeinschaftlichen Bauteile. Es gehört damit zur Aufgabe der Verwaltung, dieses Bewusstsein zu schaffen.

2. Stockwerkeigentum wird immer beliebter. Und damit die Eigentümerschaft immer heterogener?
Vor allem während der Tiefzinsphase haben sich viele bisherige Mieter Wohnungen gekauft. Damit ist der Kreis der Stockwerkeigentümer deutlich breiter geworden.

3. Sanierungen verlangen von einer STWE-Gemeinschaft ein kollektives Bewusstsein und eine kollektive Finanzierung: Kommt das einer Quadratur des Kreises gleich?
Gerade heterogene Gemeinschaften ohne ausreichend dotiertem Erneuerungsfonds leiden unter dem fehlenden kollektiven Bewusstsein. Die Problematik des fehlenden Bewusstseins lässt sich durch Wissensvermittlung, beispielsweise durch das von der Fachkammer Stockwerkeigentum entwickelte Tool zur Berechnung des Finanzbedarfs zur Erneuerung der Liegenschaft, lösen. Bestehen aber nicht bei allen EigentümerInnen genügend Finanzmittel, sind Geduld oder aber Fremdfinanzierung gefragt.

4. Sie haben zusammen mit Prof. Dr. Amédéo Wermelinger ein Gutachten erstellt, wonach STWE-Gemeinschaften Sanierungen grundsätzlich über Kredite fremdfinanzieren können, ohne dass alle Eigentümer unterschreiben und solidarisch haften müssen. Doch die Finanzindustrie macht bisher nicht mit. Sind damit viele dringend nötige Sanierungen gefährdet?
Die Möglichkeit der Fremdfinanzierung wäre – gerade bei älteren Gemeinschaften mit heterogener Eigentümerschaft – das ideale Mittel, um Sanierungen rascher zu ermöglichen und so die Bausubstanz nicht nur zu erhalten, sondern auch zu verbessern. Das würde auch dazu beitragen, die ambitionierten Klimaziele der Politik zu erreichen. Ohne die Möglichkeit der Fremdfinanzierung werden nachhaltige Sanierungen weiter nach hinten verschoben oder es finden nur weniger nachhaltige Lösungen statt.

5. Gerade energetische Sanierungen rücken vermehrt in den Vordergrund. Hört beim eigenen Portemonnaie die Nachhaltigkeit auf?
Hier muss man differenzieren: Viele Gemeinschaften verlangen – gerade, was die Installation von PV-Anlagen anbelangt – proaktives Verhalten der Verwaltungen und zeigen auch Eigeninitiative. Meist handelt es sich bei diesen Gemeinschaften aber auch um Häuser, welche eher dem vermögenderen Teil der Gesellschaft gehören. Sind die Finanzen knapp, ist es aber umso schwieriger, die Finanzierung nicht nur von werterhaltenden, sondern auch von wertvermehrenden Investitionen sicherzustellen.